Eine der bedeutensten Heilpflanzen im Portrait
Schon im 12. Jahrhundert soll dieses ganz besondere Gewächs in Bauerngärten und auf Friedhöfen zu finden gewesen sein.
Es kann vermutet werden, was die Botaniker bewogen hat, ihr den wohlklingenden Namen „Calendula“ zu geben, denn sie öffnet die Kelche ihrer üppigen Blüten bei Sonnenaufgang und schließt sie zuverlässig, einem Kalender gleich, bei Sonnenuntergang wieder. Zudem blüht sie über viele Kalendermonate des Jahres, nur die ersten Frostnächte können sie zähmen. (lat: calendae, der erste Tag des Monats).
Ihr Artepitheton „officinalis“ gibt den entscheidenden Hinweis darauf, dass wir es mit einer Arzneipflanze zu tun haben, denn damals bezeichnete die „Offizin“ den Verkaufsraum der Apotheken (bis heute steht das Adjektiv „offizinell“ für anerkannte Arzneimittel).
Die Ringelblume
Calendula officinalis ist eine 30 – 60 cm hohe, buschig wachsende und flaumig behaarte, einjährige Gartenpflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Ihre Herkunft ist der Mittelmeerraum, sie liebt vollsonnige Standorte und bildet zahlreiche gelb- bis orangefarbene Blüten aus. Sie ist leicht zu kultivieren und vermehrt sich großflächig über Selbstaussaat. Seit Jahrhunderten wird sie in der Volksmedizin als Heilpflanze angewendet.
Diese recht trockene Beschreibung der Ringelblume liefert uns zwar zunächst grundlegende Informationen, wird ihrer Großartigkeit aber nicht im Ansatz gerecht. Wer das Reich der Pflanzen liebt, verspürt den Wunsch nach mehr!Um eine Pflanze nicht nur sicher identifizieren, sondern sie wirklich in ihrem Wesen erkennen zu können, bieten sich verschiedenste Wege an.
Die Signatur der Sonnengleichen
Einer von ihnen führt über die Achtsamkeit und die intensive Betrachtung. Die wissenschaftliche Bezeichnung für dieses Vorgehen ist die Signaturenlehre. Sie geht davon aus, dass jede Pflanze uns durch etwas Besonderes in ihrem Phänotyp (die Gesamtheit aller Merkmale ihres Erscheinungsbildes) Auskunft über die ihr innewohnenden Kräfte geben kann.
Aus diesen analogen Denkprozessen resultieren seit der Antike Wissensgrundlagen in der Medizin. Ähnlichkeiten werden erkannt und von Bekanntem wird auf das Unbekannte geschlossen. Es entstehen Verknüpfungen durch das Wahrnehmen einer Art „inneren Verwandtschaft“ zwischen den Dingen. Bezogen auf die Heilkräfte der Natur kann es als der älteste Weg der Heilpflanzenerkenntnis bezeichnet werden.
Als ein besonders schönes Beispiel der Signaturenlehre diene die aus der Volksheilkunde stammende Betitelung: Calendula ist die zur Pflanze gewordene Sonne. Wenn wir ihre strahlende Blüte auf uns wirken lassen, verstehen wir es sofort.
Dieses Erkennen eines inneren Zusammenhanges ließ die alten Naturheilkundler intuitiv erschließen, dass die Ringelblume mit Leiden verknüpft werden kann, deren Pathologie die dunkle, feuchte Kälte ist. Denn die Sonne hat die Kraft, die Dunkelheit zu vertreiben und Feuchtigkeit trocknen zu lassen. Bis heute ist die Calendula das Mittel der Wahl für schlecht heilende, wuchernde und nässende Wunden und Geschwüre.
Wissen mehren durch unterschiedliche Blickwinkel
Möchten wir nun noch mehr über die Calendula erfahren, so bietet der Erfahrungsschatz anderer Pflanzenfreunde – und Kenner mit ihren unterschiedlichen Zugängen eine wunderbare Wissensquelle, um ihrer Vielfältigkeit ein wenig näherzukommen.
Was würde uns ein Kind über die Ringelblume erzählen?
Der offene kindliche Geist würde vermutlich ihre sonnenhafte Strahlkraft und die leuchtenden Farben der Blüten bewundern. Es würde die Schönheit der einzelnen Blütengesichter bestaunen und vorsichtig eines abzupfen, um an ihm zu riechen. Vielleicht würde es dann die Nase leicht rümpfen, denn es umgibt die Ringelblumen eine Art balsamischer Geruch, der einen Hauch von Verwesung haben kann.
Was weiß der Gärtner über die Calendula zu berichten?
Der Gärtner bewundert ihre Robustheit und ihre unbändige Lebensenergie, die sie immer neu austreiben lässt. Seine Calendula nährt Bienen und Insekten, kommt mit nahezu allen Bodenbeschaffenheiten zurecht und gilt als nicht anfällig für Parasiten oder Krankheiten. Ihre Anpassungsfähigkeit und offensichtliche Abwehrkraft sind bemerkenswert! Obendrein dient sie als Bodenverbesserer, denn die bis zu 20 cm lange Pfahlwurzel lockert den Boden auf und erleichtert die Nährstoffversorgung aller sie umgebenden Pflanzen.
Wer Gemüse selber anbaut, weiß die Ringelblume ebenfalls zu schätzen. Durch die Abgabe von Stoffwechselprodukten über ihre Wurzeln in den Boden kann die Ringelblume Nematoden (Fadenwürmer, Bodenälchen) vertreiben und so im biologischen Anbau von Mischkulturen als natürlicher Schädlingsbekämpfer von großem Nutzen sein.
Die Namensvielfalt der Ringelblume ist groß, auch Totenblume wurde sie genannt. Es liegt eine Verbindung zum ewigen Leben in der Deutung nahe, die früher allen sonnengleichen Pflanzen zugesprochen wurde. Ebenfalls vermutet werden kann, dass die Friedhofsgärtner ihre lange Blühdauer auf den Gräbern zu schätzen wussten.
Welche Besonderheiten interessieren den Botaniker?
Für den wissenschaftlichen Pflanzenkundler ist die Heterokarpie der Calendula bemerkenswert. Sie bezeichnet die Bildung unterschiedlich geformter Früchte (welche auch für den deutschen Namen „Ringelblume“ Pate stehen). Die äußeren Zungenblüten bilden Klettfrüchte, die mit der Hilfe von Tieren verbreitet werden. Die mittleren Blüten entsenden luftgefüllte Samen mit dem Wind und die innersten sind wurmartig gekrümmt, geringelt eben, und werden von fleißigen Ameisen verbreitet. So sorgt die Ringelblume für ihren Fortbestand durch Eigenaussaat an den verschiedensten Standorten und ist auch gerne verwildert anzutreffen.
Wie verwendet der Koch die Ringelblume bei der Zubereitung von Speisen?
Auch in der Küche hat unsere farbintensive Korbblütlerin viele Freunde, denn alle Pflanzenteile sind zum Verzehr geeignet. Ihre hübschen Blüten zieren Suppen oder Desserts und die grünen Blätter der Calendula können als Salatbeilage verwendet werden. Sie haben einen eleganten, leicht herben Geschmack. Natürlich dient sie auch der Zubereitung aromatischer, gesundheitsfördernder Tees.
Es ist bekannt, dass ihre gelben Farbstoffe in der Vergangenheit zum Verfälschen von Safran genutzt wurden (auch „Arme-Leute-Safran“ genannt).
Warum die Ringelblume in keinem Bauerngarten fehlen wird
Nicht zu vergessen ist, dass auch die Landwirte der Ringelblume und deren Wetterprognose für ihre Saat und Ernte vertrauen. Öffnet sie am frühen Morgen ihre Blüten nicht, so kann mit Niederschlägen gerechnet werden. Auf dieser Eigenschaft beruht ihr pragmatischer Beiname „Regenblume“.
Wofür wird der Naturheilkundler die Heilkraft der Calendula officinalis verwenden?
Hier ist die Liste lang. Seit dem Mittelalter und mit Zeugnis in den Schriften der universalgelehrten Äbtissin Hildegard von Bingen wird sie als entzündungshemmend und wundheilungsfördernd bei allen Arten von Hauterkrankungen angewendet.
Zu nennen sind hier auch offene Wunden, Brandwunden, Schuppenflechten und Ausschläge, auch Erfrierungen und Sonnenbrand. Einst wurde sie bei „Milz- und Leberverstopfung“, „Kopfgrind“ und zur Förderung der Menstruation verabreicht. Sie soll der Anregung des Lymphflusses und zur Stärkung der Abwehrkräfte und der Gesamtkonstitution dienen.
Ihre schmerzstillende und keimtötende Komponente (Pilze, Bakterien, Viren) wird auch bei Entzündungen des Zahnfleisches und der Rachenschleimhaut lindernd eingesetzt.
Innerlich als Tee verabreicht, kann die Ringelblume bei der Rekonvaleszenz unterstützen, den Appetit anregen und die Leber stärken. Regulierend soll sie auf die Gallensäfte und die Verdauung wirken und bei regelmäßigem Genuss kann sie eine beruhigende Wirkung entfalten.
Die anthroposophische Medizin schreibt ihr heilende Kräfte nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf seelischer Ebene nach Verletzungen zu.
Kontraindiziert sind alle Ringelblumen Anwendungen, wenn eine Überempfindlichkeit auf Korbblütler bekannt sein sollte. Allerdings treten Allergien im Vergleich zu anderen Korbblütlern selten auf, da sie nur durch bestimmte Pflanzenteile ausgelöst werden.
Wann wird der Schulmediziner die Ringelblume verschreiben?
In der schulmedizinischen Therapie werden Ringelblumenpräparate äußerlich mit sehr gutem Erfolg zur Prophylaxe und Linderung von Hautbeschwerden und Strahlendermatitis bei der aggressiven Strahlentherapie verwendet. (Studie mit 254 Mammakarzinompatientinnen: Pommier et.al 2004).
Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde die Ringelblume auch in der originären Krebstherapie verwendet, denn durch ihren Gehalt an Triterpensaponinen kann sie zytotoxisch wirken. Es gibt aktuelle Forschungsansätze, welche die antitumorale Wirkung bestätigen. Für gezielte Anwendungen reichen diese ersten Erkenntnisse jedoch noch nicht.
Einschub: Phytotherapie
Längst hat die Heilwirkung von Pflanzen Einzug in die Naturwissenschaften gehalten. Bereits im Jahre 1913 prägte der französische Arzt Henri Leclerc den Begriff „Phytotherapie“ für die rationale, wissenschaftlich orientierte Pflanzenheilkunde. Pharmazeutische Verfahren ermöglichen es, im Gegensatz zur traditionellen Pflanzenheilkunde, die Wirkstoffe der Heilpflanzen (in der Regel aus kontrolliertem Anbau) in gleichbleibender Güte und Konzentration zu gewinnen und zu verarbeiten. Vom Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) wurden Ringelblumenblüten als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft.
„Die Phytotherapie ist nicht die Alternative, sondern Teil der heutigen naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Sie schließt therapeutische Lücken und bietet ergänzende oder adjuvante Möglichkeiten bei der Behandlung und Vorbeugung akuter und chronischer Krankheiten.“
Gesellschaft für Phytotherapie
Ernte und Inhaltsstoffe der Calendula
Zur Ernte kommen die frischen, voll entfalteten Blüten der Ringelblume, der optimale Zeitpunkt ist der späte Vormittag. Wird sie per Hand für den Eigenbedarf geerntet, so wird der Kundige die Zungenblütenblätter sorgsam einzeln vom Körbchen abzupfen, denn genau sie enthalten die wichtigsten Wirkstoffe und, im Gegensatz zu den getrockneten Blütenkörbchen, keine Allergene. Je dunkelorangefarbener die Blüten, desto höher ihr Carotingehalt.
Weiterhin enthält die Ringelblume ätherische Öle, Alkohole (Faradiol), Polysaccharide (wasserlösliche), 2-10 % Triterpensaponine, Cumarine, Allantoin, Flavonglykoside, Xanthophylle, Lycopin, Flavonoide, Bitterstoffe und geringe Mengen Salicylsäure.
Gewinnung der Heilkraft der Calendula
Verwendung findet die Ringelblume auf der Haut als Umschlag, Öl, Tinktur, Salbe oder Extrakt.
Um mit einer Heilpflanze in Bund zu treten und ihre Heilkräfte für Mensch und Tier nutzbar zu machen, bedarf es der schonenden und sachgerechten Herauslösung ihrer Wirkstoffe. Die Extraktion ist vermutlich die älteste von der Menschheit angewandte Art der Zubereitung. Ihre einfachste Form wird tagtäglich auf der ganzen Welt zelebriert: Es ist das Aufgießen von Tee aus frischen oder getrockneten Pflanzenteilen.
In Medizin und Pharmazie bezeichnet ein Extrakt ein Endprodukt, welches durch einen speziellen pharmazeutischen Herstellungsprozess gewonnen wurde. Es wird in flüssiger (= Fluidextrakt oder Tinktur), halbfester (= Spissumextrakt für Gele, Salben, Sirup) und fester Form hergestellt. Wasser, Alkohol oder Öl fungieren als Lösungsmittel, das dem Rohstoff, der sogenannten „Droge“, seine Wirkstoffe entzieht.
Standardisierte Extrakte werden auch in der Phytotherapie und in der hochwertigen Naturkosmetik breit angewendet, denn sie enthalten einen genau definierten Anteil der Leitsubstanz. Es sind stabile Konzentrate der Ausgangsdroge, die unbehandelt verderblich wäre.
Eine Methode der Extraktion gilt als besonders wirksam und schonend: die CO₂-Extraktion. Es ist ein physikalisches Verfahren, das ohne Lösungsmittel und Temperaturbelastung auskommt. Natürliches Kohlendioxid wird unter hohem Druck verdichtet, löst den gewünschten Inhaltsstoff aus der Ursprungsdroge und gibt ihn bei Absenken des Drucks rückstandslos als hochreines Extrakt wieder ab. Die Parameter dieses maschinellen Prozesses können extrem fein justiert und individuell an das jeweilige pflanzliche Material angepasst werden, sodass die kostbaren Wirksubstanzen in höchster Güte und mit maximiertem Gehalt erhalten bleiben. Prozesstechnisch ist es auch möglich, Allergene zu extrahieren.
Das Extrakt der Calendula ist eine schwarz glänzende, etwas zähe Masse, die alles Gute dieser ganz besonderen Pflanze zur weiteren Verarbeitung enthält.
Die Ringelblume, unsere Braut der Sonne, sie ist die Vielseitige, die sich nicht zurechtstutzen lassen möchte, um in eine bestimmte Schublade zu passen. In ihrer Einzigartigkeit aber ist sie doch immer die Bodenständige geblieben, eine Blume für Jeden!
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Quellen zu diesem Artikel:
http://www.klostermedizin.de/index.php/heilpflanzen/historische-monographien/39-ringelblume-calendula-officinalis-l-asteraceae
https://mediatum.ub.tum.de/doc/603272/603272.pdf S.25, S.145
Das Wirkungsspektrum reicht von antimikrobiellen [ISAAC, 1992] bis hin zu antimutagenen [ELIAS et al., 1990], antiinflammatorischen [DELLA LOGIA et al., 1990, 1991, 1994], immunstimulierenden [WAGNER et al, 1985] und wundheilenden Effekten [ISAAC, 1992]. Sogar eine Wirksamkeit gegen Tumore [PEYROUX et al., 1981; BOUCAUD-MAITRE et al., 1988; CHEW et al., 1996] bzw. den HI-Virus [KALVATCHEV et al., 1997] wurde nachgewiesen.
Studie in vitro Ringelblume Wundheilungspotential: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27956358/